Weil der Mensch ein Mensch ist

»How to Date a Feminist« von Samantha Ellis in den Hamburger Kammerspielen – Wonder Woman liebt Superman, doch der vergnügt sich mit der Schankdirne, so hat der watteweiche Robin Hood tatsächlich die Chance, in die Situation zu grätschen und die schöne Kate zu seiner Lady Marian zu machen. Obwohl die voll und ganz auf Mistkerle steht. So wie doch insgeheim die meisten Frauen, jedenfalls, wenn man die Hitliste niederschwelliger Kultur betrachtet. Die geballte Power deutscher Schlagerheroinen steht wie ’ne Eins lachend wieder auf, wenn der »süße Scheißkerl« (Michelle) sie »tausendmal verletzt« (Andrea Berg) hat.

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Weil der Mensch ein Mensch ist
»How to Date a Feminist« von Samantha Ellis in den Hamburger Kammerspielen
Von Eileen Heerdegen

Wonder Woman liebt Superman, doch der vergnügt sich mit der Schankdirne, so hat der watteweiche Robin Hood tatsächlich die Chance, in die Situation zu grätschen und die schöne Kate zu seiner Lady Marian zu machen. Obwohl die voll und ganz auf Mistkerle steht. So wie doch insgeheim die meisten Frauen, jedenfalls, wenn man die Hitliste niederschwelliger Kultur betrachtet. Die geballte Power deutscher Schlagerheroinen steht wie ’ne Eins lachend wieder auf, wenn der »süße Scheißkerl« (Michelle) sie »tausendmal verletzt« (Andrea Berg) hat.

In »E-Mail für dich« verzeiht Meg Ryan Tom Hanks sogar, dass er ihre gesamte Existenz in Form eines lieben kleinen Buchladens vernichtet. Eines der Beispiele, das die britische Dramatikerin Samantha Ellis veranlasst hat, das beliebte Genre »Rom-Com« (Romantic Comedy) vom patriarchalischen Mief zu befreien. Herausgekommen ist »How to Date a ­Feminist«, ein kurzweiliges Stückchen, das in der Hamburger Premiere am 29. April überdurchschnittlich viele Lacher erzielte, aber dem Anspruch einer feministischen Komödie nicht gerecht werden kann.

Der Plot ist schnell erzählt: Journalistin Kate, frisch getrennt von ihrem Chef Ross, lernt auf einer Kostümparty den unbeholfen wirkenden Steve kennen und schließlich sogar lieben. Der ist in einem feministischen Hippie­frauencamp aufgewachsen und fragt brav, bevor er zudringlich wird. Am Tag ihrer Hochzeit kommt es zur Trennung, weil Kates Vater es mit Steves Mutter treibt, Superman Ross wittert eine neue Chance, und schließlich dämmert es Kate – spät, aber doch –, dass ein Mistkerl nicht die beste Wahl ist.

In einem Aufsatz über ihre »Mission feministische Rom-Com« beschreibt Samantha Ellis die starken Frauen der US-amerikanischen Screwball-Komödien der 40er Jahre; schade, dass ihre eigenen Figuren keinerlei Identifikationsmöglichkeit bieten. Die selbstsichere Hippiemutter ist viel zu abgedreht für ein Role model, ihre On-off-Schwiegertochter Kate in traditionellen Bildern gefangen. Und bitte, es ist kein Feminismus, nicht einmal lustig, sondern lächerlich, wenn Steve sich beim Heiratsantrag auf Befehl seiner Mutter vorab für das Patriarchat entschuldigt. Dass Kate erst durch den frauen­bewegten Mann geläutert wird, klingt stark nach Mansplaining.

Doch die hervorragende Inszenierung (Regie: Jonathan Heidorn) macht das Stück sehenswert. Yvonne ­Schäfers tolle Bühne ist so reduziert wie vielseitig benutz- und bespielbar. Zwei Schauspieler stellen sechs Charaktere dar, mit perfekten, oft rasanten Kostümwechseln. Wenn Joseph Reichelt als Steve dem soften Robin das grüne Kleidchen entreißt und sich über Superman-Unterhose und behaarten Sixpack die Mistkerlfigur Ross mit Lederjacke und Sonnenbrille stülpt, macht das einfach Spaß und ist es egal, wenn die Metamorphose zu Kates Vater Joe (wohl auch dem Kostüm geschuldet) nicht ganz so gut gelingt. Der Star des Abends aber ist unbestritten Neda Rahmanian. Sie ist eine freche, wütende, schmollende, selbstbewusste, gekränkte, starke und zugleich ängstliche Kate, aber ebenso überzeugend die esoterische Hippiefeministin, die wohl tatsächlich die starke Frauenfigur des Stückes ist. Die sich auch sexuell traut, anders zu sein, sich zu nehmen, was sie will, in diesem Fall Kates Vater. Ihr komisches Talent kann Neda Rahmanian schließlich bei Carina, Steves derber Exfreundin, ausspielen. Eine Steinmetzin im weiten Overall mit einem Hang zu Deutsch-Rap.

Jede dritte Frau in Deutschland wird in ihrem Leben Opfer physischer oder sexualisierter Gewalt, alle 45 Minuten eine Tat, in 25 Prozent der Fälle durch aktuelle oder frühere Partner. Jeden dritten Tag ein Femizid. »Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern …« – Gerade hat der 1. Mai wieder an den großen Traum erinnert, Gleiche unter Gleichen zu sein. »Er will unter sich keinen Sklaven seh’n und über sich keinen Herrn!« Genau das ist auch Feminismus.