Sex im Kloster

Gustav Peter Wöhler Band – Der Sänger auf der neoba­rocken Bühne der Hamburger Laeiszhalle (am 5.12.) widerlegt hüftwackelnd Vorurteile. Okay, Boomer? Yeah! Kleine elegante Drehungen, ausladende Tanzschritte, stolz geschwellter Bauchansatz, augenzwinkernd laszive Bewegungen. Nicht immer ernstgemeint, aber durchaus sexy.

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Sex im Kloster
Gustav Peter Wöhler Band in der Hamburger Laeiszhalle
Von Eileen Heerdegen

Der Sänger auf der neoba­rocken Bühne der Hamburger Laeiszhalle (am 5.12.) widerlegt hüftwackelnd Vorurteile. Okay, Boomer? Yeah! Kleine elegante Drehungen, ausladende Tanzschritte, stolz geschwellter Bauchansatz, augenzwinkernd laszive Bewegungen. Nicht immer ernstgemeint, aber durchaus sexy.

Der Sänger ist auch Schauspieler oder umgekehrt, und weil kleine dicke Männer (so wie große dicke Frauen) angeblich nicht erotisch sind, wird Gustav Peter Wöhler in der Regel nicht als Held und Liebhaber, sondern eher skurril und lustig besetzt. Und er ist lustig, sehr sogar. 1990, Hamburger Schauspielhaus, Hamlet. Wöhler (gemeinsam mit Burghart Klaußner als Rosenkranz und Güldenstern) übernahm zusätzlich den Totengräber für einen erkrankten Kollegen, vergaß natürlich den Text – die urkomische Szene ist mir unvergesslich.

Auch im »Best of«-Konzert mit Band in der Laeiszhalle beginnt Gustav Peter Wöhler immer mal wieder mit dem falschen Vers oder muss zwischendurch »la, la, la« singen – ob das nun dramaturgische Kniffe oder tatsächliche Hänger sind, er macht das sehr charmant, das Publikum ist begeistert.

Umjubelt waren schon seine musikalischen Anfänge – 1993 »Abbey Road« im neuen Gewand mit der Devil’s Rubato Band. Die aktuelle Gruppe feiert gerade 22. Geburtstag; Bassist Olaf Casimir, Pianist Kai Fischer und Gitarrist Mirko Michalzik. Hervorragende Musiker und für einen leichten, jazzigen Sound verantwortlich. Zwischen dem Starter »Come Together« und »Waltzing Mathilda« als letzte Zugabe performt der bestens gelaunte Herr Wöhler seine Lieblingssongs, von sentimental und nah am Original bis zur sehr freien Interpretation und mehr als schwungvoll mit schwindelerregenden Umdrehungen wie Milchmann Tevje (den er auch schon gespielt hat) auf Speed mit mindestens 33, wenn nicht 45 rpm.

Zwischendurch gibt’s immer wieder den einen oder anderen Schwank aus Wöhlers Leben, z. B. dass der Papst ihn persönlich angerufen hat, um ihm mitzuteilen, man könne nicht einfach in ein Kloster gehen, nur weil man Sex mit Männern möchte. Und während ich noch als verliebter Teenie in London die Telefonbücher nach Elton Johns Adresse durchsucht habe, wusste Gustav schon, dass der sich sowieso nie für mich interessiert hätte: »Gays of the world erkennen sich.« Und so schön »Your Song« – unbedingt my song des Abends.

Van Morrissons »Brown Eyed Girl«, Jackson Brown, Towns Van Zandt, Billy Joel. Ein orientalisiertes »Moonlight Shadow«, ein betrunkenes »Red Red Wine«, ein punkig-jazziges »Friday I’m in Love« von The Cure. »Ring of Fire« als sehr eigene Version mit einem beachtlichen Solo von Mirko Michalzik und »You Drive Me Crazy« von den Fine Young Cannibals in einer verspielten Vegan-Version. Im schlichten dunklen Anzug mit unspektakulärem Hemd reicht Gustav Peter Wöhler seine mal sanfte, mal kräftige Stimme und ein bunter Seidenschal, die Fangemeinde gelegentlich in Wallung zu bringen. Und die war am Schluss kaum wieder zu beruhigen, Standing Ovations und Hände wundklatschen. Das hätte es im Kloster wahrscheinlich nicht gegeben.