Und bitte einen Sonnenstrahl

Eine kleine persönliche Erinnerung an Claus Peymann

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Und bitte einen Sonnenstrahl
Eine kleine persönliche Erinnerung an Claus Peymann
Von Eileen Heerdegen

Ein eisiger Tag im Januar 1999. Seither trage ich ein nicht geschriebenes, aber fest entworfenes Briefchen gedanklich in meiner Tasche. Ein Dank an Claus Peymann für seine berührende, wunderbare, sensible und wertschätzende Trauerrede in einer kleinen Kapelle des Ohlsdorfer Friedhofs vor 26 Jahren. Dort war die Bühne für den mit welkenden Rosen (sie liebte vergehende Blumen) bestückten Sarg meiner Freundin und »Kollegin« (ich bin keine Schauspielerin, aber wir waren gleichzeitig am Hamburger Schauspielhaus engagiert) Ortrud Beginnen.

Ich kannte Claus Peymann nur aus den Medien, selbsternannter »genialer Regieberserker«, einer, der in Bochum mal eben 40 Menschen entließ, ein Streitsüchtiger, aber auch großer Theatermacher und einer, der sich für inhaftierte RAF-Mitglieder einsetzte – schwer, sich selbst eine Meinung zu bilden. Aber sehr klar und deutlich, mit wieviel Gefühl für einen anderen Menschen mich dieses Enfant Terrible überrascht hat. Jeder liebt und trauert anders, es war nicht das herzzerreißende, weinende Zusammenbrechen von Gustav Peter Wöhler, der zuvor ein Abschiedslied aus dem gemeinsamen Programm vorgetragen hatte, es war eine anekdotenreiche und doch stille Erinnerung an eine besondere Künstlerin. Und es war ein fast kitschiger Zufall, der so gar nicht zu Claus Peymann passen mag, dass ausgerechnet jetzt, an diesem trüben Vormittag, Sonnenstrahlen durch die bunten Fenster genau auf den Sarg fielen.

Ich habe Peymann später im Wiener Akademietheater »Holzfällen«, meinen Lieblingstext von Thomas Bernhard, lesen hören, und ich hatte das große Glück, ihn und seinen langjährigen Dramaturgen Hermann Beil, als sie selbst, ebenfalls dort in Bernhards »Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen« zu erleben. Beides so beglückend, dass ich wieder und wieder entschlossen war, das Briefchen endlich am Bühneneingang abzugeben. Zuletzt hätte ich es fast in die Josefstadt getragen, wo Peymann »Warten auf Godot« inszeniert hatte.

Nun werde ich es bei mir und in mir behalten und wünsche Claus Peymann zum Abschied einen Sonnenstrahl.