Viel Lärm um nichts

Selina Fillingers Posse »Die Schattenpräsidentinnen« am Hamburger Schauspielhaus

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Viel Lärm um nichts
Selina Fillingers Posse »Die Schattenpräsidentinnen« am Hamburger Schauspielhaus
Von Eileen Heerdegen

Imelda Marcos in Großaufnahme mit pekingopernhaftem Augen-Make-up. Um Volksnähe zu demonstrieren, trägt sie keine ihrer 10.000 sündteuren High Heels, sondern klobige Plastiksandalen. Um sie herum toben sechs als Frauen verkleidete Weißclowns, deren dummer August der Präsident der Vereinigten Staaten ist.

»POTUS« heißt das Stück der 28jährigen US-Amerikanerin Selina Fillinger denn auch im Original. Der deutsche Titel, »Die Schattenpräsidentinnen – Oder: Hinter jedem großen Idioten gibt es sieben Frauen, die versuchen, ihn am Leben zu halten«, klingt erheblich spaßiger und verspricht viel.

Zunächst wird es vor allem laut. ­»Fotze!« Stabschefin Harriet (Sandra Gerling) und Pressesekretärin Jean (Josefine Israel) diskutieren noch vor dem Bühnenvorhang, ob der Präsident seine Frau tatsächlich in aller Öffentlichkeit als »Fotze« bezeichnet hat, ob man es irgendwie in »hinterfotzig« retten ­könnte. Zumal die »Landfrauen für moderne alternative Agrikultur« in Kurzform »LmaA« (Hihi … Brüller) wegen der Fotze schon echt auf Zinne sind.

Meine Mutter hätte sich da schon die Hände auf die Ohren geklatscht und Lalala gemacht, generell ist es aber doch überraschend, dass »Fotze« und »LmaA« schon für Heiterkeit im Publikum sorgen können. Und (für alle) anstrengend, dass permanent geschrien werden muss. Der arme Kehlkopf! Vielleicht waren es abgebrühte HNO-Spezialistinnen, die hier ein vorfreudiges Kichern nicht unterdrücken konnten?

Leiser wird’s nicht im Hamburger Schauspielhaus, aber durchaus bunt und phantasievoll. In einer gelungenen Bühnenwelt mit grellbunten Videoarbeiten und Livekamera tummeln sich sieben Frauen, deren Aufmachung, außergewöhnliche Frisuren, Maske und Kostüme, die Aufführung optisch zum Highlight macht.

Neben Jean und Harriet singen, tanzen und kalauern (»Bahrain Bahraus« – Humor ist, wenn man trotzdem lacht?) Sekretärin Stephanie (Angelika Richter), Präsidenten-Gspusi Biene (Linn Reusse), die permanent Milch abpumpende Zwillingsbabymutter und Journalistin Chris (Amal Keller mit Pömpeln an den Gummibrüsten) und Bettina Stucky als pummelige, schwerkriminelle Präsidentenschwester mit spezieller Haartolle – da bleibt kein Zweifel, um welchen »Idioten« es sich konkret handelt.

Präsidentengattin ist demzufolge auch nicht Imelda, sondern Margaret, gespielt von Sachiko Hara, der einzigen nicht »kaukasisch«, wie es in den USA heißt, gelesenen Person dieser Inszenierung, obwohl die Hinweise der Autorin zum Stück vorgeben, »wenigstens drei dieser Frauen sollten von dunkler Hautfarbe oder asiatisch sein«. Was zeigt, dass wir in unserer Gesellschaft und an unseren Theatern von Vielfalt und Gleichberechtigung in jeder Form noch weit entfernt sind.

Ein paar gelungene Dialoge (»Der einzige Grund, warum Bahrain heute überhaupt eingeladen wurde, war so zu tun, als ob uns kleine arabische Länder einen Scheiß interessieren – Fein, ich mag den Duft von Imperialismus am Morgen«), und sogar Klartext: »Er sollte dieses Land nicht regieren, und Sie wissen es! Er ist ein Brandstifter, aber Sie haben ihm Streichhölzer gegeben, Sie haben gedacht, er würde seine Finger verbrennen und daraus lernen – nun, das hat er nicht, und jetzt steht die ganze Scheiß-Welt in Flammen!«

Ansonsten viel Geschrei: »Leck mir die Eier«. Es geht um Analspiele und das »eiternde Furunkel an der Rosette« des POTUS (President of the United States) und »irgendwas Ekliges mit einer Mango«, die schwangere Biene kotzt erst blau (Brombeersmoothie) und später, weil sie den falschen Männern einen geblasen hat. Spätestens, wenn Chris ihren Ex-Mann anruft (»Wenn du deine Verabredung nicht absagst, um Kenny von der Tanzschule abzuholen, gebe ich unseren Kindern vor deinem Wochenende mit ihnen zwei Tage lang nur Backpflaumen zu essen, und sie scheißen dir auf deine neue weiße Ledercouch«) kommt ein Gefühl auf, als schaue man »Sex and the City«, nachdem man sich die Drogen eingepfiffen hat, von denen Keith Richards und Ron Wood immer erzählen.

Leider wird der knapp zweistündige Abend trotz guter Zutaten und einem wirklich begeisternden Ensemble am Ende zäh und langweilig. Viel Lärm um nichts, denn in der Tat ist das Problem nicht die Inszenierung. Aus einer grobschlächtigen Posse kann man einfach keine intelligente Farce basteln.

Die Autorin verkauft das Stück als feministisch: »Für jede Frau, die sich jemals als Nebenrolle in einer männlichen Farce wiedergefunden hat.«

Sind wir nicht alle Komparserie in männlichen Inszenierungen? Und sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?