Beggars Banquet

Rotwein im Prater mit Live-Musik von den Stones

Nicht jede/r kann sich die Karten für ein Konzert der Rolling Stones leisten. Aber vielleicht draußen vor der Tür für lau ein bisschen was hören? Wie fühlt man sich als Zaungast? Wir haben es ausprobiert.

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Beggars Banquet
Rotwein im Prater mit Livemusik von den Rolling Stones

Von Eileen Heerdegen

„Na, dees is gscheit!“ – die Frauen in den roten Streckfauteuils mit Almdudler-Logo würden glatt applaudieren, müssten sie nicht ihre sündteuren Getränke in den im Original Stones-Sixty-Design gestalteten Plastikbechern festhalten. Ihre bewundernden und vielleicht auch ein wenig neidischen Blicke gelten der Flasche Rotwein, die wir vorausschauend, aber immerhin auch schwer im Rucksack drückend, am Riesenrad vorbei durch Wurschtl- und grünen Prater geschleppt haben. 

Normalerweise bietet jeder Wiener Würstlstand halbwegs trinkbaren Wein, das Achtel oft schon für 1 Euro 10. Hier und heute sind die Preise mit handgeschriebener Phantasie überklebt. 4,50 für einen Gespritzten (wir Piefke sagen Schorle), die Dose Ottakringer zum Preis eines Sixpacks. Wer ist schuld? Alte weiße Männer. Konkret Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood und Neu-Drummer Steve Jordan – die berühmteste Rockband alive: The Rolling Stones.

Über 50.000 Menschen können und wollen sich das Erlebnis im Prater-Stadion zu Preisen zwischen 130 und ca. 700 Euro gönnen (ein Schnäppchen, in der Berliner Waldbühne geht’s bei 425 Euro erst los). Für Andere ist schon lange Schluss mit lustig, sie durchsuchen die in vorbildlicher Menge vorhandenen Müllcontainer und bitten um die Spende der Pfand-Becher. 

Zum Helene Fischer-Konzert hätte ich vor Jahren weit entfernt im 3. Bezirk atemlos durch die Nacht mittanzen können, sofern ich das auch nur ansatzweise gewollt hätte, laut genug war’s. Mit der daraus geborenen Idee, ein Stones-Konzert zwar mit deutlicher Sichteinschränkung, aber immerhin live zu erleben, bin ich an diesem Freitagabend im Prater nicht allein. Gründe, Vergnügungen kreativ handhaben zu müssen, gibt es (für) Viele. Von ganz jung bis Künstler-Jahrgang sind nicht wenige offensichtliche Hardcore-Fans dabei, manche hocken direkt auf dem Asphalt des Vorplatzes, Hauptsache möglichst wenige Meter zwischen ihnen und der Band. Es geht los und Juhu, man kann die Songs deutlich und gut hören. „Street fighting man“ – passend dazu patrouilliert eine kleine Polizeigruppe in Kampfuniform. Noch ein paar Mal an diesem Abend, stets an den merkwürdig-eckigen Bewegungen auch später im Dunkel erkennbar. Brezel-Verkaufswagen werden hin- und hergeschoben, die nimmer müde Müllabfuhr sorgt für Ordnung und eine Frau in Hellblau tanzt ununterbrochen. Ein junger Mann lässt sich durch die Musik nicht bei der Arbeit am Laptop stören, einer mit grauem Zopf und Hard-Rock-Café-Shirt sucht Kontakt zu diversen Nebensitzenden. Die Stones lassen sich nicht lumpen und servieren alles, was gut und teuer ist. Sogar Dylans „like a rolling stone“, und bei „You can’t always get what you want” blitzt kurz Wehmut auf, es wäre doch ganz schön gewesen, das Duracell-Äffchen in Aktion zu sehen. Egal – beim finalen „Satisfaction” hält es drinnen wie draußen niemanden mehr auf den Sitzen. Und dann: Atemlos durch die nächtliche Prater Hauptallee.