Because er hatte Flair

Vor 25 Jahren starb Falco: Es gab sicher mindestens eine Einladung zum »Club 27«. Vielleicht passte der Dresscode nicht, Johann Hölzel war nicht so der Typ für Antiform-Jeans und Stirnbänder. Vielleicht galt für ihn aber auch der Groucho-Marx-Grundsatz: »I refuse to join any club that would have me as a member.« Jedenfalls hat er trotz mancher Anstrengung das Jahr 1984 und damit den magischen 27. Geburtstag überlebt.

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Because er hatte Flair
Vor 25 Jahren starb Falco
Von Eileen Heerdegen

Es gab sicher mindestens eine Einladung zum »Club 27«. Vielleicht passte der Dresscode nicht, Johann Hölzel war nicht so der Typ für Antiform-Jeans und Stirnbänder. Vielleicht galt für ihn aber auch der Groucho-Marx-Grundsatz: »I refuse to join any club that would have me as a member.« Jedenfalls hat er trotz mancher Anstrengung das Jahr 1984 und damit den magischen 27. Geburtstag überlebt.

Überleben hat er früh gelernt. Dem Hansi wurde die Kämpfernatur direkt in die Wiege gelegt, in die er es als einziger von Drillingen schaffte. Ein fettes Trauma als unsanftes Ruhekissen dazu, zumindest legen das Untersuchungen zum pränatalen Verlust von Geschwistern nahe.

Der Überlebende ist renitent, geht als Musiker (E-Gitarre und Bass) 1977 nach Berlin und wird zum Falco. Der Name eines Skispringers wird ihn zum Überflieger machen, es bleibt die Flugangst. Er steht vor David Bowies Tür und traut sich nicht hinein. Zurück in Wien ist er mutiger, möglicherweise helfen »Kokain und Kodein / Heroin und Mozambin«, »ganz Wien« (»ist heut auf Heroin«). Als Bassist der Hallucination Company und der Anarchotruppe Drahdiwaberl nutzt er die Solochance. Erster Hit und Plattenvertrag.

Er kommt aus Wien-Penzing. Falsche Seite. Drüben, jenseits der Ausfallstraße, das Schloss, anschließend die Millionärsvillen in Hietzing, wo es noch Menschen gibt, die »Schönbrunner Deutsch« sprechen. Das übt er ein; Oskar-Werner-Schallplatten helfen, das Nasale bis zur Karikatur zu perfektionieren. »Drah di net um« – das Konzept geht auf. »Der Kommissar«, das Album »Einzelhaft« (1982), der innovative Mix aus Attitude und funky Pop, HipHop und Rap mit seinem typischen Sprachmix aus hochdeutsch-wienerisch-englischen Texten wird endgültiger Karrierestart. Der junge Wiener besitzt echte Starquality und nähert sich musikalisch gelegentlich sogar seinem Idol Bowie. Trotzdem: Zwei Jahre später floppt der Nachfolger »Junge Roemer«.
»Er war Superstar / Er war populär / Er war so exaltiert / Because er hatte Flair.« Die Brüder Bolland, holländische Hitmaschinen, hatten übernommen, und glaubt man den filmischen Nachruforgien von Dolezal und Rossacher, war Falco so exaltiert (means dauerzugedröhnt), dass die Aufnahmen zu »Rock Me Amadeus« fast scheiterten. Fast. Drei Wochen Nummer eins der Billboard-Charts in den USA 1986 als erster deutschsprachiger Titel überhaupt. Sogar etwas länger als Andy Warhols 15 Minuten war Falco nun weltberühmt, leider ausgerechnet durch eine doch sehr weichgespülte Produktion. Der neue Superstar war nicht glücklich. Er war deprimiert. Schließlich schienen Abstieg und Absturz jetzt zwangsläufig.

»Die Lebenslust bringt di um«? Alex Kapranos (Franz Ferdinand) verglich kürzlich in einem Twitter-Chat Ruhm und Kokain: Nach einem anfänglichen, süchtig machenden Rausch folge beidem ein Abgrund aus existentiellen Zweifeln und Elend. Falco griff gleich zweimal zu und spezialisierte sich musikalisch auf Berg- und Talfahrten; privat war der Abgrund spätestens erreicht, als er erfuhr, dass er nicht der leibliche Vater seiner Tochter war. Den wahrscheinlich selbst verursachten Zusammenstoß mit einem Reisebus in der Dominikanischen Republik am 6. Februar 1998, mit 1,5 Promille plus THC und Kokain im Blut, konnte nicht einmal er überleben.

Bis zu seinem Tod waren weitere fünf Alben erschienen, das letzte posthum. Mit »Out of the Dark« war ihm (zu) spät noch ein letzter Hit vergönnt. Tragischerweise vor allem, weil sich mit der Textzeile, »muss ich erst sterben, um zu leben« so herrlich gruselig über einen Selbstmord spekulieren lässt.

Falco hätte am 19. Februar 2023 seinen 66. Geburtstag feiern können, ein Alter, in dem nach dem berühmten Philosophen Udo Jürgens das Leben erst beginnt. Aber: »Was vorbei ist, ist vorbei, Baby Blue.« Mit dem Dylan-Klassiker endet das dritte Studioalbum »Falco 3«. Allerdings hat Hans Hölzel das Ende des Textes sehr persönlich ergänzt: »Just a couple of drinks more, please. Shit.«